Atopische Dermatitis (ICD-10: L20) 🚹

Atopische Dermatitis (atopisches Ekzem): Chronisch-entzĂŒndliche Hauterkrankung

Übersicht

Atopische Dermatitis (AD), auch bekannt als atopisches Ekzem oder diffuse Neurodermitis, ist eine chronische, rezidivierende entzĂŒndliche Hauterkrankung, die durch starken Juckreiz, trockene Haut und ekzematöse LĂ€sionen gekennzeichnet ist. Sie beginnt in der Regel in der frĂŒhen Kindheit und steht in Zusammenhang mit anderen atopischen Erkrankungen in der Familienanamnese oder der persönlichen Anamnese, wie allergischer Rhinitis, Asthma bronchiale oder saisonalen Allergien (Pollinose). Der Begriff „Atopie“ bezeichnet eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit des Immunsystems gegenĂŒber verschiedenen Umweltallergenen.

In etwa 60 % der FĂ€lle beginnt die atopische Dermatitis innerhalb des ersten Lebensjahres, meist im Alter von 3 Monaten. Die Erkrankung betrifft MĂ€nner im SĂ€uglingsalter etwas hĂ€ufiger, wĂ€hrend Frauen in der PubertĂ€t ĂŒberwiegen. AD wird als Teil der „atopischen Trias“ (zusammen mit Asthma und allergischer Rhinitis) angesehen, und bis zu 70 % der Patienten haben eine familiĂ€re Vorbelastung fĂŒr atopische Erkrankungen. Obwohl sie bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben kann, ist ein Ausbruch im Erwachsenenalter selten.

Auslösende Faktoren

SchĂŒbe der atopischen Dermatitis werden hĂ€ufig durch eine Kombination aus Umwelt-, Immun- und Lebensstilfaktoren ausgelöst. Zu den hĂ€ufigen verschlimmernden Faktoren gehören:

  • Allergene: Inhalative (Hausstaubmilben, Pollen), Nahrungsmittel (Eier, Milch, Soja, Weizen) und Kontaktallergene (Nickel, Duftstoffe);
  • Trockene Haut: Durch zu hĂ€ufiges Waschen, Verwendung aggressiver Seifen oder niedrige Luftfeuchtigkeit;
  • Hormonelle VerĂ€nderungen: PubertĂ€t, Menstruation, Schwangerschaft, SchilddrĂŒsenfehlfunktion;
  • Emotionaler Stress: AngstzustĂ€nde, MĂŒdigkeit oder psychische Überlastung können Symptome auslösen oder verschlimmern;
  • Infektionen: SekundĂ€re bakterielle (z. B. Staphylococcus aureus), virale (Herpes simplex) oder Pilzinfektionen;
  • Parasitenbefall: Giardiasis, Enterobiasis, Toxocariasis usw.;
  • Reizende Kleidung: Wolle, synthetische Stoffe, Federkissen, aggressive Waschmittel;
  • Klimatische Bedingungen: In gemĂ€ĂŸigten Klimazonen verschlimmern sich die Symptome oft im Winter und bessern sich im Sommer.

Pathogenese

Atopische Dermatitis ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen genetischer Veranlagung, Immundysregulation und UmwelteinflĂŒssen. Zu den wichtigsten Mechanismen zĂ€hlen:

  • IgE-vermittelte Überempfindlichkeit: Obwohl die genaue Rolle unklar ist, sind hĂ€ufig erhöhte IgE-Spiegel und eine Sensibilisierung gegenĂŒber Allergenen vorhanden. Langerhans-Zellen und Mastzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Auslösung von EntzĂŒndungsreaktionen ĂŒber die Bindung von IgE.
    Chronische EntzĂŒndung: Eine anhaltende Aktivierung des Immunsystems mit Dominanz von Th2-Zytokinen fĂŒhrt zu anhaltenden HautentzĂŒndungen und Juckreiz.
    Neuroimmunologische Signalwege: Juckreiz und Kratzen fĂŒhren zu einer erhöhten Hautempfindlichkeit und einer verstĂ€rkten Aktivierung von Th2-Zytokinen.
    Neuroimmunologische Signalwege: Juckreiz und Kratzen fĂŒhren zu einer erhöhten Hautempfind

  • Chronische EntzĂŒndung: Eine anhaltende Immunaktivierung mit Dominanz von Th2-Zytokinen fĂŒhrt zu einer persistierenden HautentzĂŒndung und Pruritus.
  • Neuroimmune Signalwege: Juckreiz und Kratzen perpetuieren den EntzĂŒndungszyklus ĂŒber neuronale und immunologische Signalwege.
  • Klinisches Erscheinungsbild

    AD ist gekennzeichnet durch starken Juckreiz, Xerosis (trockene Haut), ekzematöse HautausschlÀge und Lichenifikation. Die Krankheit verlÀuft in akuten, subakuten und chronischen Stadien mit unterschiedlichen morphologischen Merkmalen.

    Akutes Stadium:

    • Erythematöse Flecken und Plaques mit unscharfen RĂ€ndern;
    • Exsudation, BlĂ€schen und Krusten;
    • Schwellung und Ödeme der betroffenen Haut;
    • Exkoriationen und SekundĂ€rinfektionen mit Pusteln (hĂ€ufig S. aureus);
    • Lokalisierte oder generalisierte Hautbeteiligung.

    Chronisches Stadium:

    • Lichenifikation: Verdickung der Haut mit verstĂ€rkten Hautlinien durch wiederholtes Kratzen;
    • Hyperpigmentierung und Rissbildung: Vor allem an HĂ€nden, FĂŒĂŸen, Fingern und HandflĂ€chen;
    • Kleine Papeln an den Haarfollikeln;
    • Verlust der seitlichen Augenbrauen, Verdunkelung der Augenlider und Denny-Morgan-Linien unter den Augen;
    • Weißer Dermographismus: Nach dem Streicheln der Haut erscheint aufgrund von GefĂ€ĂŸkrĂ€mpfen eine weiße Linie.

    Altersspezifische Merkmale der atopischen Dermatitis

    SĂ€uglinge (0–2 Jahre):

    Tritt hĂ€ufig als schwere, frĂŒh auftretende Hauterkrankung mit Erythemen, Ödemen, BlĂ€schen, Krusten und Fissuren auf. HĂ€ufige Lokalisationen sind das Gesicht (außer den Lippen) und die Streckseiten der ExtremitĂ€ten. Auslöser sind meist Nahrungsmittelallergene.

    Kinder (2–12 Jahre):

    Die LÀsionen werden chronischer mit verhornenden Plaques, Exkoriationen und Erosionen. Am hÀufigsten sind die Beugeseiten der Ellenbogen und Knie sowie der Hals und die Handgelenke betroffen.

    Jugendliche und Erwachsene:

    Die Erkrankung verlĂ€uft chronisch und rezidivierend, hĂ€ufig ausgelöst durch Stress oder hormonelle VerĂ€nderungen. Die LĂ€sionen sind eher generalisiert oder betreffen typische Beugestellen, das Gesicht, den Hals und die oberen ExtremitĂ€ten. Exazerbationen können sich als Papeln, verkrustete Plaques, Fissuren und Pusteln mit Lichenifikation Ă€ußern. NodulĂ€re Varianten können Prurigo nodularis Ă€hneln.

    Komplikationen der atopischen Dermatitis

    Atopische Dermatitis ist zwar nicht lebensbedrohlich, kann jedoch zu mehreren Komplikationen fĂŒhren, die die LebensqualitĂ€t des Patienten erheblich beeintrĂ€chtigen:

    • SekundĂ€re bakterielle Infektion: Oft aufgrund von Kratzen, hauptsĂ€chlich verursacht durch Staphylococcus aureus, was zu Impetigo, Krusten und nĂ€ssenden Erosionen fĂŒhrt;
    • Kaposi-Varicelliform-Eruption: Eine seltene, aber schwere Komplikation, die durch das Herpes-simplex-Virus verursacht wird und durch einen großflĂ€chigen vesikulopustulĂ€ren Hautausschlag, Fieber und Lymphadenopathie gekennzeichnet ist;
    • Schlafstörungen: Aufgrund anhaltenden Juckreizes, insbesondere nachts;
    • Psychosoziale Belastung: Geringes SelbstwertgefĂŒhl, AngstzustĂ€nde oder Depressionen aufgrund sichtbarer LĂ€sionen und chronischer Symptome;
    • Progression zu anderen atopischen Erkrankungen: Bis zu 50 % der Kinder können eine allergische Rhinitis oder Asthma bronchiale entwickeln („atopischer March“).

    Diagnose

    Die Diagnose einer atopischen Dermatitis wird in erster Linie klinisch anhand der Anamnese und der körperlichen Untersuchung gestellt. Typische Merkmale sind:

    • FrĂŒher Ausbruch im SĂ€uglings- oder Kindesalter;
    • Chronisch-rezidivierender Verlauf mit juckenden, ekzematösen LĂ€sionen;
    • Charakteristische Verteilung nach Alter;
    • Atopie in der Familienanamnese;
    • Weißer Dermographismus und Lichenifikation;
    • Erhöhte Gesamt-IgE-Konzentration im Serum (in vielen, aber nicht allen FĂ€llen).

    ZusÀtzliche diagnostische Hilfsmittel:

    • Hautabstriche: Zum Nachweis von Staphylococcus aureus in der Nasen- oder Hautflora;
    • Virus-Kultur: Bei Verdacht auf Kaposi-Ekzem herpeticum (Herpes-simplex-Virus);
    • Allergietests: Hautpricktest, Skarifizierung oder intradermale Tests zur Identifizierung von Allergenen;
    • Nahrungsmittelprovokationstests: Bei Verdacht auf eine durch Nahrungsmittel ausgelöste Erkrankung unter Ă€rztlicher Aufsicht;
    • Histologie (selten): Bei unklaren FĂ€llen; Befunde umfassen Spongiosis, Akanthose, lymphozytĂ€re Infiltrate, gelegentlich Mastzellen;
    • Serologische Tests: Radioallergosorbent-Test (RAST) auf allergenspezifische IgE-Antikörper.

    Behandlungsstrategie

    Die Behandlung der atopischen Dermatitis ist multifaktoriell und individuell anzupassen. Die Ziele sind die Verringerung von EntzĂŒndungen und Juckreiz, die Wiederherstellung der Hautbarriere, die Vorbeugung von SchĂŒben und die Behandlung von Begleiterkrankungen.

    Kernkomponenten der Behandlung:

    • Hypoallergene ErnĂ€hrung: Vermeidung bekannter Nahrungsmittelallergene;
    • Umgebungskontrolle: Vermeidung bekannter Auslöser (Staub, Haustiere, Hitze, Textilien usw.);
    • Topische Therapie: Umfasst Emollientien, Kortikosteroide, Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus) und antiseptische Mittel fĂŒr infizierte LĂ€sionen;
    • Systemische Therapie: Antihistaminika gegen Juckreiz, orale Kortikosteroide bei schweren SchĂŒben (kurzfristig), Immunsuppressiva (z. B. Cyclosporin) in refraktĂ€ren FĂ€llen und Biologika wie Dupilumab (Anti-IL-4/IL-13) bei mittelschwerer bis schwerer Erkrankung;
    • Behandlung von SekundĂ€rinfektionen: Topische oder systemische Antibiotika nach Bedarf;
    • Begleittherapie: Psychotherapie bei stressbedingten SchĂŒben, AufklĂ€rung der Patienten und ihrer Angehörigen sowie UnterstĂŒtzungsprogramme.

    Prognose

    Die langfristige Prognose ist individuell unterschiedlich:

    • Bei vielen Kindern bessern sich die Symptome bis zum Jugendalter deutlich oder verschwinden ganz;
    • Exazerbationen bei Jugendlichen sind in der Regel schwerer, können aber mit konsequenter Behandlung gut kontrolliert werden;
    • Bei Erwachsenen verlĂ€uft die Erkrankung oft chronisch mit Remissionsphasen und RĂŒckfĂ€llen und kann zusammen mit anderen atopischen Erkrankungen auftreten;
    • Begleitendes Asthma oder allergische Rhinitis entwickeln sich bei 30–50 % der Patienten.

    Differentialdiagnose

    Zu den Erkrankungen, die einer atopischen Dermatitis Ă€hneln und ausgeschlossen werden mĂŒssen, gehören:

    • Seborrhoische Dermatitis;
    • Kontaktdermatitis (allergisch oder irritativ);
    • Psoriasis;
    • NummulĂ€res Ekzem;
    • Dermatophytose (Tinea);
    • Kutanes T-Zell-Lymphom (FrĂŒhstadien);
    • Genodermatosen (z. B. Wiskott-Aldrich-Syndrom, Akrodermatitis enteropathica);
    • Systemische Erkrankungen mit Hauterscheinungen (z. B. Zöliakie, Glucagonom, Histiozytose X).

    Vorbeugende Maßnahmen

    Die PrÀvention konzentriert sich auf Hautpflege, Allergenvermeidung und Gesunderhaltung:

    • TĂ€gliche Anwendung von Emollientien zur Aufrechterhaltung der Hautfeuchtigkeit;
    • Vermeiden Sie heißes Wasser und Seife, verwenden Sie nur milde Reinigungsmittel;
    • Identifizieren und vermeiden Sie Auslöser in der Umwelt oder in Lebensmitteln;
    • Tragen Sie atmungsaktive, nicht reizende Kleidung (vorzugsweise Baumwolle).
    • Behandeln Sie Begleiterkrankungen (Asthma, Rhinitis, Magen-Darm-Erkrankungen).
    • KlĂ€ren Sie Pflegepersonen und Patienten auf, um die Einhaltung der Behandlung sicherzustellen und Ängste abzubauen.
    • RegelmĂ€ĂŸige Nachuntersuchungen bei Dermatologen oder Allergologen zur FrĂŒherkennung von SchĂŒben und zur langfristigen Behandlungsplanung.

    Mit konsequenter Pflege, AufklÀrung und Anpassungen der Lebensweise kann atopische Dermatitis wirksam behandelt und ihre Auswirkungen auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden deutlich verringert werden.