Lichen planus: Chronisch-entzündliche Hauterkrankung unbekannter Ursache
Übersicht
Lichen planus (LP) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Haut und Schleimhäute, die durch juckende, polygonale, flache Papeln gekennzeichnet ist, die typischerweise violett oder rot-violett gefärbt sind. Es handelt sich um eine nicht ansteckende Erkrankung unklarer Ursache, die die Haut, Nägel, Kopfhaut, Mundhöhle und Genitalien befallen kann. LP kann in jedem Alter auftreten, tritt jedoch am häufigsten bei Erwachsenen zwischen 30 und 60 Jahren auf.
Trotz ihres gutartigen Verlaufs kann LP aufgrund des anhaltenden Juckreizes, der Beteiligung der Schleimhäute oder der Narbenbildung in schweren Fällen die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Bei den meisten Patienten heilt die Erkrankung innerhalb von Monaten bis zu einigen Jahren spontan aus, wobei Rückfälle möglich sind.
Ätiologie und mögliche Auslöser
Die genaue Ursache der Lichen planus ist noch unbekannt. Es wird jedoch angenommen, dass es sich um eine zellvermittelte Autoimmunreaktion handelt, bei der zytotoxische T-Zellen die basalen Keratinozyten angreifen. Die folgenden Faktoren wurden mit der Auslösung oder Verschlimmerung der Erkrankung in Verbindung gebracht:
- Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV), insbesondere bei oralen und erosiven Varianten;
- Medikamente: Antihypertensiva, Malariamittel, Antidiabetika, NSAIDs und bestimmte Herzmedikamente;
- Exposition gegenüber Schwermetallen: Gold, Quecksilber, Arsen (z. B. über Zahnamalgam);
- Autoimmunerkrankungen: LP kann zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen auftreten (z. B. Vitiligo, Alopecia areata, Thyreoiditis);
- Stress: Emotionaler oder körperlicher Stress kann zum Ausbruch oder zur Verschlimmerung der Erkrankung beitragen.
Kutaner Lichen planus: Klinische Manifestationen
Die kutane Form des Lichen planus präsentiert sich typischerweise wie folgt:
- Mehrere polygonale, flache Papeln mit einer Größe von 3–5 mm, oft symmetrisch gruppiert;
- Farbe: Rosa, rot oder violett; oft glänzend aufgrund einer glatten Oberfläche;
- Wickham-Streifen: Feine, weißliche netzartige Linien, die auf der Oberfläche der Papeln sichtbar sind;
- Juckreiz: Variiert von leicht bis stark, oft verschlimmert durch Hitze oder Stress;
- Verteilung: Häufige Stellen sind Handgelenke, Unterarme, Lendenbereich, Knöchel und Schienbeine. Die Läsionen können aufgrund des Köbner-Phänomens (Entstehung von Läsionen an Traumastellen) zu größeren Plaques zusammenwachsen oder lineare Muster bilden.
- Verdickte Plaques: Zu sehen an Schienbeinen oder Knöcheln als hypertrophe LP-Varianten.
Bei einigen Patienten kann die erste Erkrankung aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Ekzemen, Psoriasis oder Pilzinfektionen falsch diagnostiziert werden. Eine gründliche klinische Untersuchung ist für die richtige Diagnose unerlässlich.
Befall von Schleimhäuten, Nägeln, Kopfhaut und Genitalien
Oraler Lichen planus
Oraler Lichen planus (OLP) tritt häufig als retikuläre weiße Flecken mit einem spitzenartigen Muster auf, das als Wickham-Streifen bekannt ist. Die Läsionen finden sich typischerweise an der Bukkalschleimhaut, der Zunge oder der Gingiva. Bei erosiven Formen können Geschwüre, Rötungen, Brennen und Schmerzen auftreten, insbesondere beim Verzehr von scharfen oder sauren Lebensmitteln.
OLP kann über Jahre hinweg bestehen bleiben und birgt ein geringes, aber bedeutendes Risiko einer malignen Transformation.
Nagel-Lichen planus
LP kann eine oder mehrere Nagelplatten befallen und sich wie folgt äußern:
- Ausdünnung und Längsrillenbildung;
- Spaltung und Onychorrhexis;
- Pterygium-Bildung: Verwachsung der Nagelfalz mit dem Nagelbett, was zu Narbenbildung führt;
- vollständiger Nagelverlust: in fortgeschrittenen, unbehandelten Fällen.
Kopfhaut (Lichen planopilaris)
Eine Beteiligung der Kopfhaut kann zu follikulären Papeln, Rötungen und Schuppenbildung führen. Bei fortschreitender Erkrankung kann es zu einer vernarbenden Alopezie kommen, die zu dauerhaftem Haarausfall führt. Eine frühzeitige Behandlung ist entscheidend, um die Haarfollikel zu erhalten.
Genitaler Lichen planus
LP im Genitalbereich manifestiert sich typischerweise als rote, erosive oder atrophische Plaques oder Papeln, die Brennen oder Juckreiz verursachen können. Sie betrifft beide Geschlechter und kann mit Infektionen oder anderen dermatologischen Erkrankungen verwechselt werden.
Diagnostik
Die Diagnose einer Lichen planus basiert häufig auf einer klinischen Untersuchung und der charakteristischen Morphologie. In atypischen Fällen oder bei vorwiegend mukosalen oder nagelbetroffenen Läsionen können jedoch zusätzliche Untersuchungen erforderlich sein:
- KOH-Test: Zum Ausschluss einer Pilzinfektion;
- Biopsie: Bestätigt die Diagnose. Die Histopathologie zeigt typischerweise Hypergranulose, sägezahnförmige Akanthose, Degeneration der Basalschicht und bandförmige lymphozytäre Infiltrate an der dermoepidermalen Verbindung.
- Bluttests: Können durchgeführt werden, um Grunderkrankungen wie Hepatitis C auszuschließen.
- Allergie- oder Medikamentenanamnese: Bei Verdacht auf lichenoide Arzneimittelexantheme.
Differentialdiagnose
Zu den Erkrankungen, die LP ähneln können, gehören:
- Psoriasis: Dickere Plaques, silbrige Schuppen und typische Nagelfurchen;
- Pityriasis rosea: Herald-Fleck, „Weihnachtsbaum“-Muster und selbstlimitierender Verlauf;
- Ekzem oder atopische Dermatitis: stärker exsudativ mit Bläschen und starkem Juckreiz;
- Kutaner Lupus erythematodes: Lichtempfindlichkeit mit atrophischen Narben und positivem ANA-Befund;
- Arzneimittelinduzierte lichenoide Reaktionen;
- Tinea corporis oder versicolor: Bestätigt durch KOH-Mikroskopie.
Behandlung
Es gibt keine universelle Heilung für Lichen planus, aber die meisten Fälle sind selbsteindämmend und klingen innerhalb von Monaten bis zu einigen Jahren ab. Die Behandlung zielt auf die Linderung der Symptome und die Vorbeugung von Komplikationen ab, insbesondere bei Beteiligung der Schleimhäute, der Kopfhaut und der Nägel.
Symptomatische und pharmakologische Therapie:
- Topische Kortikosteroide: Erstlinientherapie bei LP der Haut und Schleimhäute;
- Topische Calcineurin-Inhibitoren: Tacrolimus oder Pimecrolimus für empfindliche Bereiche (z. B. Gesicht, Genitalien);
- Orale Antihistaminika: Zur Linderung von Juckreiz;
- Phototherapie: Schmalband-UVB bei großflächiger Haut-LP;
- Systemische Therapie (schwere Fälle): Umfasst orale Kortikosteroide, Retinoide (z. B. Acitretin), Methotrexat, Cyclosporin oder Biologika in refraktären Formen.
Läsionen im Mund- und Genitalbereich:
- Topische Kortikosteroide oder Calcineurin-Inhibitoren;
- Gute Mundhygiene;
- Vermeidung von Reizstoffen wie scharfen Speisen, Alkohol und Tabak.
Prävention und Patientenberatung
- Vermeiden Sie mechanische Traumata, Kratzen oder Reibung in den betroffenen Bereichen.
- Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und verwenden Sie Feuchtigkeitscremes, um die Barrierefunktion der Haut zu unterstützen.
- Identifizieren Sie potenzielle Auslöser (z. B. Medikamente, Allergene) und minimieren Sie deren Exposition.
- Beseitigen Sie Stress nach Möglichkeit durch verhaltensbezogene oder psychologische Unterstützung.
- Patienten mit oraler LP sollten Rauchen, Alkohol und scharfe Speisen vermeiden.
- Aufgrund des geringen Risikos einer Malignität (insbesondere bei erosiver oraler LP) ist eine regelmäßige Überwachung wichtig.
Fazit
Lichen planus ist eine vielschichtige chronische Entzündungserkrankung, die Haut, Schleimhäute, Nägel und Kopfhaut befallen kann. Sie ist zwar nicht lebensbedrohlich, ihre Symptome und kosmetischen Auswirkungen können jedoch zu erheblichen Belastungen führen. Eine frühzeitige Diagnose, Symptomkontrolle und eine maßgeschneiderte Therapie ermöglichen eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse und der Lebensqualität der Patienten.
Die meisten Fälle heilen mit der Zeit ab, aber einige Formen – insbesondere Schleimhaut- oder Kopfhautvarianten – erfordern eine langfristige Nachsorge und fachärztliche Betreuung.